Mit Stephen Frears ehrt Bremen einen der einflussreichsten und vielseitigsten Regisseure Europas. Er ist kein Filmemacher, den man auf ein Genre, Thema oder einen Stil reduzieren kann. Unter seinen über 70 Filmen aus fünf Jahrzehnten finden sich kleine Sozialstudien, wie „Mein Wunderbarer Waschsalon“, mit dem ihm der große Durchbruch als Regisseur gelang, opulente Kostümdramen wie „Gefährliche Liebschaften“ oder auch der Neo-Western „Hi-Lo Country“, der mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Er entdeckte junge Talente, die heute internationale Stars sind, darunter Gary Oldman oder Tim Roth, arbeitete aber auch mit bereits etablierten Weltstars wie Hugh Grant, Michelle Pfeiffer oder Julia Roberts.
Frears gilt als einer der wichtigsten Köpfe des New British Cinema neben Regisseuren wie Ken Loach oder Peter Greenaway. Seit den 70er Jahren prägte er eine britische Filmkultur, die den Anspruch hatte, sich von Hollywood unabhängig zu machen. Das hält Frears jedoch nicht davon ab, immer wieder auch international und mit Hollywood-Stars wie Meryl Streep, Dustin Hoffman oder Glenn Close zu drehen – am Ende kehrt er aber immer wieder nach England zurück.
Bis heute prangert er in seinem Werk die Nachwehen von Thatcherismus und Brexit an. Auch die Absurdität, in einer Demokratie zu leben, die sich verzweifelt an die Monarchie klammert, hat er immer wieder zum Thema gemacht, wie in „The Queen“, der gleich sechs Mal für den Oscar nominiert war und für den Helen Mirren in der Titelrolle die Trophäe gewann.
Stephen Frears erhält den Bremer Filmpreis für sein Gesamtwerk, das von einem überzeugten Humanismus geprägt ist. Bei der Inszenierung seiner Figuren, von der Königin bis zum Gangmitglied, interessiert er sich vor allem für eines: den Menschen als handelndes Wesen. Alle seine Figuren leiden unter gesellschaftlichen Zwängen, aber keine von ihnen entlässt er deshalb aus der Pflicht, eigene Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidungen sind häufig für irgendjemanden von Nachteil – nicht selten für die Entscheidenden selbst. Viele von Frears‘ ambivalenten Figuren wurden daher als Anti-Helden bezeichnet. Gerade ihre Fehlbarkeit und ihre dunklen Seiten machen sie menschlich.
Über solche Charaktere, stets verkörpert von großartigen Schauspielenden, die er virtuos zu führen weiß, gelingt es Stephen Frears immer wieder Geschichten zu erzählen, die eine gesellschaftliche Relevanz besitzen und uns gleichzeitig emotional nahegehen. Sein schönstes Kompliment bekam er nach eigener Aussage vom früheren Privatsekretär von Königin Elizabeth, der ihm im Hinblick auf „The Queen“ attestierte: „You got it all wrong, but you got it right.“ Ein größeres Lob kann man einem Regisseur und Geschichtenerzähler wahrlich nicht machen.